Tiefenpsychologie

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
 international gebräuchlich, auch Psychodynamische (1) Psychotherapie genannt.

Jahrzehntelang galt die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, neben der Psychoanalyse (2), zu Unrecht als „kleine“ Psychotherapie.
In der Versorgung hat sie den höchsten Stellenwert: ca. 60 % aller psychotherapeutischen Behandlungen sind tiefenpsychologisch fundiert, 30% Verhaltenstherapien, 10% psychoanalytische Psychotherapien.

(1) Psychodynamik „Lehre vom Wirken innerseelischer Kräfte“ beschreibt Einflüsse auf Befindlichkeit und Verhalten des Menschen.
(2) Psychoanalyse (v. griech. Psyche, dt. Seele, und Analysis, dt. Zerlegung, im Sinne von Untersuchung,  Enträtselung der Seele) ist eine psychologische Theorie, die um 1890 von dem Wiener Neurologen Sigmund Freud begründet und seitdem von vielen vielfältig weiterentwickelt wurde.

Psychodynamische bzw. tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie wird in den Psychotherapie-Richtlinien (1998) wie folgt definiert:

„Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie umfasst ätiologisch (3) orientierte Therapieformen, mit welchen die unbewusste Psychodynamik (4) aktuell wirksamer neurotischer (5) Konflikte, unter Beachtung von Übertragung (6), Gegenübertragung (7) und Widerstand (8) behandelt werden.“

(3) ätiologisch (v. griech. „Ursache“ und „Vernunft, Lehre“)
(4
) Psychodynamik (Lehre vom Wirken innerseelischer Kräfte)
(
5) neurotisch (nervlich bedingte, rein funktionelle Erkrankung, verursacht durch einen inneren Konflikt)
(
6) Übertragung (das Phänomen der unbewussten Umlenkung von Gefühlen von früheren Bezugspersonen auf Andere)
(7) Gegenübertragung (eine Form der Übertragung, bei der ein Therapeut auf den Patienten bzw. auf dessen aus Übertragungsphänomenen hervorgehenden Handlungen und Äußerungen reagiert und seinerseits seine eigenen Gefühle, Vorurteile, Erwartungen und Wünsche auf diesen richtet.) (8) Widerstand (eine Ablehnung oder Abwehrhaltung)

Im Lehrbuch >tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie<, schreiben W. Wöller und J. Kruse 2010:

Auf der Basis einer solchen breiteren Konzeption (9) können wir davon ausgehen, dass tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie heute ein Spektrum (10) von Therapieformen umfasst, die alle vom psychoanalytischen Standardverfahren abgeleitet sind und sich von ihm

  • durch eine zeitliche Begrenzung,
  • durch die Begrenzung der Regression (11),
  • durch eine andersartige Handhabung der Übertragung – insbesondere durch den Verzicht auf die Förderung einer Übertragungsneurose – und
  • durch den Einbezug kognitiver (12), edukativer (13), suggestiver (14) und störungsspezifischer Techniken unterscheiden.

(9) Konzeption (lat. auffassen, erfassen, begreifen, empfangen, sich vorstellen)
(
10) Spektrum (lat. Bild, Erscheinung)
(
11) Regression (unbewusster oder bewusster Rückgriff auf kindliche Verhaltensmuster)
(
12) Kognition (lat. erkennen, erfahren, kennenlernen)
(13
) Edukation (v. irziohan = herausziehen) bedeutet, jemandes Geist und Charakter zu bilden und seine Entwicklung  zu fördern.
(
14) Suggestion (lat. (manipulative) Hinzufügung, Eingebung oder Einflüsterung)

Th. Loew und H. Kächele schreiben in einem Editorial der Fachzeitschrift >Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie (2002; 52: 203-204)< zum Verhältnis der Elemente anderer Methoden zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie:

„Wenn es gelänge, die Musik-, die Kunst-, die Tanz- und die Körpertherapie in die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zu integrieren, analog des genialen positiven Eklektizismus (15) der Verhaltenstherapie, und empirisch (16) zu untermauern, würde die TfP zu einem weiteren Rahmenkonzept für eine zukunftsweisende multimodale (17) Psychotherapie, die damit auch den nach wie vor bestehenden Wünschen der Patienten selbst gerecht würde, die ja eine Methodenvielfalt einfordern“

(15) Eklektizismus (griech. „ausgewählt“) bezeichnet Methoden, die sich verschiedener entwickelter und abgeschlossener Systeme (z.B. Stile, Philosophien) bedienen und deren Elemente neu zusammensetzen.
(
16) Empirie (griech. Erfahrung, Erfahrungswissen) wird in der Wissenschaft eine im Labor oder im Feld durchgeführte Sammlung (oft Erhebung) von Informationen verstanden, die auf gezielten Beobachtungen beruhen.
(17) multi (lat. Vorsilbe „viel“) modal v. Modul (v. lat. modus Maßstab, Maß) bezeichnet Baustein, Bauelement)

Diese Sichtweise entspricht meinem Verständnis von Tiefenpsychologie weitgehend.
Meine Arbeitsbasis ist ein psychodynamisches Theoriemodell, das darüber hinaus auf viele Facetten methodischer Angebote zurückgreift, z.B. aus den Bereichen: Aufstellungen, Entspannungsverfahren, Gestalttherapie, Gesprächspsychotherapie, Kunsttherapie, Meditation, Musik, Körperpsychotherapie, Positive Psychotherapie, Psychoanalyse, Psychodrama, Tanztherapie, Transaktionsanalyse, Verhaltenstherapie, systemische Familientherapie, transkulturelle Psychotherapie u.a., in denen sich die Patienten wiederfinden, sich aber auch herausgefordert und abgeholt fühlen sollen. Aufgrund meines humanistisch-ganzheitlich (18) geprägten Menschenbildes sehe ich uns Menschen als Wesen mit einer Fülle von Fähigkeiten. Das führt zu einem ressourcen- (19) und salutogenetisch-orientierten (20) – im Gegensatz zum pathogenetischen (21) – Vorgehen. Zum anderen erscheinen Störungen und Konflikte durch das positive (22) Vorgehen als Fähigkeiten im weitesten Sinne. So ist das Ziel der Psychotherapie, Menschen Hoffnung zu geben, zusammen neue Sichtweisen aufzuschließen, wieder Vertrauen in den eigenen Körper und in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen und eine Balance zwischen den vier Bereichen ‚Körper‘, ‚Arbeit‘, ‚Beziehungen‘ und ‚Sinn/Zukunft‘ zu finden.

(18) humanistisch v. lat. humanus (menschlich) und humanitas (Menschlichkeit).
(
19) Ressource (franz. Mittel, Quelle, v. lat. resurgere ,hervorquellen‘) ist ein Mittel, um eine Handlung zu tätigen oder einen Vorgang ablaufen zu lassen; kann ein materielles oder immaterielles Gut sein.
(
20) Salutogenese (Gesundheitsentwicklung, v. lat. salus für Gesundheit, Wohlbefinden und v. griech. genesis Geburt, Ursprung, Entstehung) Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (1923–1994) prägte den Ausdruck in den 1970er Jahren als komplementären Begriff zu
(2
1) Pathogenese (v. griech. páthos „Leiden(schaft), Sucht, Pathos“ und génesis „Entstehung, Schöpfung, Geburt“) beschreibt Entstehung und Entwicklung einer Krankheit mit allen daran beteiligten Faktoren.
(2
2) Positiv (lat. positum: gesetzt, faktisch)



Nach oben | Zurück

Privatpraxis für Psychotherapie, Coaching und Supervision | Am Hain 2 | 35444 Biebertal Kontakt Anfahrt Impressum Datenschutz