Gruppenpsychotherapie

(Einleitende Worte in Zitaten und zum Teil – zum hoffentlich besseren Verständnis – mit eigenen Worten, sinnerhaltend, ergänzt, aus dem Roman: Irvin D. Yalom, Die Schopenhauer-Kur, btb, München, 2006)

Therapeut: „Mein Ziel in der Therapiegruppe: jedem Mitglied zu einem besseren Verständnis dafür zu verhelfen, wie er oder sie sich jedem einzelnen in der Gruppe, dem Therapeuten eingeschlossen, gegenüber verhält.“

Therapeut: Aufgabe der Gruppenteilnehmer ist es, mit den anderen zusammen zu arbeiten und das Verhalten Hier und Jetzt zu analysieren.     Dabei konzentrieren wir uns auf den gegenwärtigen Moment in der Gruppe. Vergessen Sie, was Mitglieder z.B. über Misserfolge in ihren Beziehungen erzählen; ich gehe davon aus, dass sie in der Gruppe dasselbe Verhalten zeigen, das in ihrem sozialen Umfeld zu Schwierigkeiten geführt hat. Weiterhin gehe ich davon aus, dass sie irgendwann das, was sie über ihre Beziehungen in der Gruppe lernen, auf ihr sonstigen Beziehungen übertragen.“

Therapeut: therapeutische Arbeit hat 2 Phasen„:

1. eine Interaktion, die oft emotional ist,

2. das Verständnis der Interaktion und ihre anschließende Integration.“

Therapeut: „Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie tun sollen; das ist Ihre Aufgabe, Ihre Entscheidung, nicht meine. Ein Grund dafür, dass Sie in der Gruppe sind, ist der, dass Sie lernen müssen, Ihrem eigenen Urteil zu vertrauen. Ein anderer Grund dafür, dass Sie hier sind, ist ja gerade der, dass Sie verstehen, was Sie sagen, wie Sie es sagen, warum Sie es sagen und warum Sie es (gerade jetzt) sagen. – Bei den meisten Menschen, die meine Praxis besuchen, hat das fehlende Wissen darum zu Problemen in ihren Beziehungen geführt.“

Therapeut: „Die Gruppenmitglieder lernen meist schnell, ein Treffen nach Lust und Laune zu eröffnen, weil dem ersten Sprecher meistens das Schicksal beschieden ist, viel Aufmerksamkeit zu genießen. – Gesegnet ist, wer gibt. Echter Input (engl. = sich einbringen) bringt echten Output (engl. = Ergebnis).“

Therapeut: „Der durchschnittliche Verbleib in der Gruppe ist 2-3 Jahre.“

Regeln in der Gruppenarbeit:

Vertraulichkeit

Die Schweigepflicht schafft den geschützten Raum, in dem über alles offen gesprochen werden kann, da es im Therapieraum bleibt.

Therapeut: „Sie sprechen mit niemandem außerhalb der Gruppe über andere Gruppenmitglieder. – Über Ihre eigenen Erfahrungen und Eindrücke können Sie freizügig reden.“

Ehrlichkeit

Sie streben danach, sich zu offenbaren und Ihre Wahrnehmungen von anderen Mitgliedern und Ihre Gefühle für sie ehrlich auszudrücken.

Therapeut: „Ich möchte an dieser Stelle zur Vorsicht mahnen. Ich halte es für keine gute Idee, eine Pflichtübung daraus zu machen. – Ich glaube zwar, dass Menschen besser in einer Gruppe zusammenarbeiten, wenn sie sich vollständig offenbaren, aber es ist wichtig, dass dabei jeder nach seinem eigenen Tempo vorgeht und sich nicht unter Druck setzen lässt. – Und – Grundsatz: kein Mitglied darf jemals für eine Selbstoffenbarung bestraft werden. Im Gegenteil, das Eingehen von Risiken muss stets unterstützt und bestätigt werden.“

Offenheit

Alles soll sich innerhalb der Gruppe abspielen. – d.h.: Wenn einzelne Teilnehmer außerhalb der Gruppentreffen Kontakt miteinander haben, muss das Besprochene in die Gruppe einfließen und dort erörtert werden.

Einzelsitzungen während der Gruppentherapie sind unter Umständen möglich, allerdings – wegen der Gruppendynamik – nur unter der Bedingung, dass der Patient die Einzelheiten dieser Sitzung beim nächsten Gruppentreffen mitteilt.“

Klarheit

Vermeiden Sie Doppelbeziehungen zu Mitpatienten; das meint alle Arten von nebengeordneten Beziehungen: romantische, geschäftliche, auch die zwischen Lehrer und Schüler.

Therapeut: „Nebenbeziehungen beeinträchtigen die Therapie, da sie intime Verhältnisse erzeugen, hinter dem das Gruppengeschehen in der Regel zurücksteht. Aus verschiedenen Gründen werden dann wesentliche Themen der eigenen Therapie nicht mehr angesprochen.

Geheimnisse stören den positiven Verlauf der Gruppenarbeit und sabotieren damit die eigene Therapie. Denn, in der Regel wird, wenn die Gruppe etwas Wichtiges unter den Teppich kehrt, auch sonst nichts von Bedeutung thematisiert. 

Mögliche Nebenwirkung sollten bedacht werden: z.B. Wenn ein Partner dank der Therapie Fortschritte macht, gerät das Gleichgewicht in der (z.B. ehelichen) Beziehung durcheinander. Wenn die Beziehung bestehen bleiben soll, muss der andere Partner sich ebenfalls verändern.

Eine Arbeitstechnik:

Wenn Sie ein Trauma oder eine Situation außerhalb der Gruppe beschreiben, erzählen Sie vorzugsweise in der 1. Person und im Präsens – also so, als ob es dem Erzähler gerade jetzt passiert.

Dialog-Beispiel: Gruppenmitglied: „Das entscheidende ist, dass Ihre Geschichte, so wie Sie, xy (= Name), sie erzählen, mich nicht im Mindesten berührt; und es ist meistens so, dass Sie mich nicht berühren. Auch wenn Sie behaupten, Sie würden sich offenbaren, kommen Sie für mich nicht persönlich rüber.“ (Weil, ohne Gefühl (erzählt), fällt es schwer, sich anrühren zu lassen.)

Eine Arbeitstechnik:

Die Aufmerksamkeit vom Inhalt auf den Prozess lenken – also weg von dem, was gesagt wurde, zum Wesen der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien.

z.B.: Therapeut – an die gesamte Gruppe: „Vielleicht treten wir mal einen Schritt zurück und suchen zu verstehen, was hier eigentlich passiert. – Was geht Ihrer Ansicht nach in der Beziehung zwischen x und y vor?“

Dialog-Beispiel: Therapeut: „Vor wenigen Minuten sprachen Sie darüber, dass die Gruppe Sie, xy (= Name), oft übersieht, und ich fand es mutig von Ihnen, alle zu fragen, wieso Sie nicht ihr Interesse erregen. – Im nächsten Augenblick schalten Sie um, lenken die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema, und Simsalabim: Ihre Frage an uns tritt in den Hintergrund. – Es ist so, als ob Sie es so einrichten, dass wir Sie übersehen, xy.“

xy: „Das ist wertvolles Feedback (engl. = Rückmeldung). Wahrscheinlich mache ich das oft. Ich werde darüber nachdenken.“

Gruppenmitglied: „Ihr Dank in allen Ehren, xy, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie das im Moment wieder tun. Sie sagen sinngemäß: „Jetzt haben Sie sich lange genug auf mich konzentriert.“ – Können Sie uns den Grund dafür nennen, dass Sie „kein Recht“ dazu haben, ein Feedback von uns zu erwarten oder Aufmerksamkeit zu beanspruchen?“

xy: „Dazu fühle ich mich wohl einfach nicht wichtig genug.“

Therapeut: „Schauen Sie sich um; schauen Sie jeden einzelnen Teilnehmer an und beantworten Sie diese Fragen: „Wer in der Gruppe ist wichtiger als Sie? Und warum?“ Es ist immer produktiver, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, als den Patienten ein Ereignis aus der Vergangenheit oder aus seinem gegenwärtigen Leben außerhalb der Gruppe rekonstruieren zu lassen und damit zu arbeiten.“

xy: „…“

Gruppenmitglied: „Bei Ihren Aufzählungen haben Sie sich nur auf Äußerlichkeiten fixiert – Beruf, Geld, erfolgreiche Kinder. Keine davon erklärt, warum Sie die unwichtigste Person in diesem Raum sind.       – Ich halte Sie für sehr wichtig. Sie sind eine Schlüsselfigur für die Gruppe; Sie interessieren sich für alle; Sie sind warmherzig, großzügig; Sie sorgen für Konzentration in der Gruppe; Sie arbeiten hart.“

xy: „Ich bin stinklangweilig: mein Leben lang habe ich mich für meine Alkoholiker-Eltern geschämt, immer gelogen, was meine Familie betraf.“

Gruppenmitglied: „Sie reden immer noch um den heißen Brei herum, xy. Sie sprechen von Ihrer Vergangenheit, … aber Sie, wo sind Sie? Was ist jetzt?“

xy: „Ich bin das alles, daraus setze ich mich zusammen; was sollte sonst sein? Ich bin langweilig, … bin konfus, … ich … ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich weiß nicht mehr, wo oder wer ich bin. … beginnt zu weinen … Das reicht jetzt; mehr stehe ich heute nicht durch.“

Therapeut: „Schauen wir mal, was in den letzten Minuten passiert ist. Wer kann dazu Gefühle oder Beobachtungen äußern?“

Gruppenmitglied: „Ich glaube, es war wichtig, dass xy ihre Gründe dafür benannte, das sie sich unbedeutend fühlt, und dann an nahm, wir würden dem alle zustimmen. Als das nicht der Fall war, geriet sie in Verwirrung und weinte und sagte, jetzt hätte sie genug – das habe ich schon oft erlebt bei ihr.“

Therapeut: „xy, was haben Sie davon, ermüdend und langweilig zu sein?“

Therapeut: „Der Trick ist der, Feedback (engl. = Rückmeldung) als Geschenk anzusehen; aber zunächst müssen Sie entscheiden, ob etwas Wahres daran ist. – Dazu geht man am besten so vor, dass man sich selbst überprüft, ob das, was da gesagt wurde, mit der eigenen Erfahrung übereinstimmt. Zudem ist es zweckmäßig, sich zu erinnern, ob andere Menschen schon dasselbe Feedback gegeben haben.“

Regeln zum Feedback:

Feedback sollte immer unmittelbar, direkt und konstruktiv gegeben werden.

Feedback sollte als Ich-Botschaft formuliert werden: „Mir scheint, dass…“, “ Ich denke, dass..“, „Mir kommt es vor, als..“.

Ein Feedback sollte Wahrnehmung, Wirkung und einen Wunsch oder Vorschlag enthalten.

Eine Arbeitstechnik:

Geben Sie z.B. Ihrer Anspannung eine Stimme. Was sagt sie?

Therapeut: „Vor Jahren gab es einen Therapeuten namens Fritz Perls (Psychiater und Psychotherapeut, 1893-1970), der eine Schule begründete, die sich Gestalttherapie nennt. Man hört heute nicht mehr viel von ihm, jedenfalls schenkte er dem Körper große Bedeutung – z.B.: „Schauen Sie mal, was Ihre linke Hand gerade tut“ oder „Wie ich sehe, streichen Sie sich oft über den Bart.“ – Dann bat er seine Patienten, die Bewegung zu übertreiben: „Ballen Sie die linke Hand noch stärker zur Faust“ oder „Streichen Sie sich immer heftiger über den Bart, und werden Sie sich bewusst, was das auslöst.“ – Perls glaubte, dass sich in den körperlichen Bewegungen sehr viel unbewusstes ausdrückt. – Wir werden schnell defensiv (lat. = verteidigend), wenn andere uns bei etwas ertappen, dessen wir uns nicht bewusst sind. – Daher verstehe ich, wie unwohl Sie sich fühlen; aber trotzdem, können Sie sich entschließen, es zu ertragen und zu ergründen, ob an dem Feedback irgend etwas Wertvolles ist.“

Platon (griech. Philosoph, 427-347 v. Chr.) bemerkte, dass die Liebe in dem ist, der liebt; nicht in dem, der geliebt wird.

Dialog-Beispiel: Therapeut: „Heute hat xy sich offenbart, hat uns vertraut.“   …   „Ich wüsste gern, was es Ihnen ermöglicht hat, heute ein derartiges Wagnis einzugehen.“

Therapeut: „Die Antwort auf die Frage: „Warum jetzt?“ ist eng mit Ihren zwischenmenschlichen Beziehungen verknüpft.

Menschen sind bis zu einem gewissen Grad Mitschöpfer ihres sozialen Umfeldes und – Beziehungen sind immer Wechselbeziehungen.

Martin Buber (1878-1965) war ein deutscher, jüdischer Philosoph, der in seinem Werk das wahre Wesen der Begegnung von zwei Menschen erforschte. Er sah die >Ich-Du-Beziehung<, die voll präsente liebevolle Beziehung, im Gegensatz zur >Ich-Es-Beziehung<, die die „Ich-heit“ des anderen vernachlässigt und den anderen eher benutzt, als eine Verbindung zu ihm herzustellen.

In der Therapie ist eine Ich-Du-Begegnung wünschenswert. – Die Interaktion von „Ich-Du“ beruht auf Gegenseitigkeit; die Beziehung kann per definitionem nicht einseitig sein.“

Dialog-Beispiel: Therapeut: „Wie ist es Ihnen nach der letzten Sitzung ergangen?“

Eine Arbeitstechnik:

Stellen Sie sich eine Skala der Selbstoffenbarung vor. An ihrem einen Ende steht eine 1, die ungefährlichste Enthüllung, also Zeug für eine Cocktailparty, und am anderen Ende die 10; das wäre die gründlichste und riskanteste Offenbarung, die man sich denken kann.

Therapeut: „Bei den Selbstoffenbarungen ist die vertikale eine Enthüllung von Einzelheiten aus der Vergangenheit; jedoch die Offenlegung in der aktuellen Beziehung, die horizontale Offenbarung, ist immer weitaus produktiver.“

Dialog-Beispiel: xy hatte sein (lange geheim gehaltenes) Alkoholproblem ausgesprochen.

Therapeut: „Ich frage mich, ob Ihre heutige Offenbarung darauf hinweist, dass Sie sich entscheiden wollen, etwas zu unternehmen. In ein Entziehungsprogramm einsteigen vielleicht?“

Therapeut: „Die ganze Konzentration auf die Vergangenheit und unser Wunsch nach Veränderung in der Zukunft dient nur dazu, uns die fundamentale Tatsache vergessen zu machen, dass das Leben nur ein gegenwärtiger Moment ist, der in der Ewigkeit entschwindet.“

Kant (1724-1804), ein deutscher Philosoph, revolutionierte unser Denken mit der Idee, dass wir die Wirklichkeit konstruieren (lat. = zusammenbauen), statt sie wahrzunehmen. Er erkannte, dass alle Daten, die wir über unsere Sinne empfangen, durch unser Nervensystem gefiltert und darin neu zusammengesetzt werden und uns damit ein Bild liefern, das wir Realität nennen, die aber in Wirklichkeit nur eine Schimäre ist, eine Fiktion, die von unserem in Begriffen und Kategorien denkenden Verstand herrührt. Tatsächlich sind sogar Ursache und Wirkung, Reihenfolge, Menge, Raum und Zeit Konzeptualisierungen, Konstrukte, keine Gebilde, die es >da draußen< in der Natur gibt. Des Weiteren können wir nicht über die von uns erarbeitete Version dessen hinaus sehen, was da ist; wir haben keine Möglichkeit zu erkennen, was >wirklich< ist – d.h., die Wesenheit, die vor der Reproduktion (lat. = Wiederherstellung) durch unsere Wahrnehmung und unseren Intellekt existiert. Jenes ursprüngliche Gebilde, das Kant als >Ding an sich< bezeichnete, wird uns auf ewig unbekannt bleiben.

Schopenhauer (1788-1860), ein deutscher Philosoph, stimmte dem zwar zu, dass wir das >Ding an sich< nie erkennen können, glaubte jedoch, dass wir ihm näher kommen können, als Kant dachte. Seiner Meinung nach hatte Kant eine wichtige Quelle von Informationen über die wahrgenommene (die phänomenale = sich den Sinnen zeigende) Welt übersehen: unseren eigenen Körper. Körper sind materielle Objekte. Sie existieren in Raum und Zeit. Und wir alle besitzen ein außerordentlich reiches Wissen über unseren Körper – ein Wissen, das nicht auf unserem Wahrnehmungs- und Begriffssystem basiert, sondern direkt aus unserem Inneren stammt, von Gefühlen herrührt. – Von unseren Körpern stammt das Wissen, dass wir manchmal nicht konzipieren und kommunizieren können, weil der größere Teil unseres Innenlebens uns unbekannt ist. Es ist verdrängt und darf nicht ins Bewusstsein einbrechen, weil es uns stärker zusetzen würde, unsere verborgensten Wesenszüge (Grausamkeit, Angst, Neid, Wollust, Aggressivität, Selbstsucht) zu kennen, als wir ertragen können.

Kein Philosoph vor ihm hatte die Einsicht (oder den Mut), über den wichtigen Einfluss des Geschlechtslebens auf unser Innenleben zu schreiben. Er war der Erste, der den Blick von innen auf Triebe und Emotionen richtete. Mehr als jeder andere Philosoph beschäftigte er sich mit jenen dunklen Impulsen tief in unserem Inneren, von denen wir nichts wissen wollen und die wir daher verdrängen müssen.

Der nächste, der diesem Thema Aufmerksamkeit schenkte, war Freud (1856–1939, österreichischer Psychoanalytiker) .

Dialog-Beispiel: Das Gruppenmitglied x hatte gerade ihre (eine Weile von beiden geheim gehaltene) Affäre mit dem Gruppenmitglied y angesprochen.

Therapeut: „Der einzige Vertrag, die einzige Verpflichtung, die wir in der Gruppe haben, ist die, unsere Beziehung zu allen anderen Mitgliedern zu erforschen. Das Schlimmste an einer Beziehung außerhalb der Gruppe ist, dass sie die therapeutische Arbeit gefährdet. Wie das? Menschen in einer engen Beziehung schätzen diese Beziehung oft höher als die Therapie. Und das genau ist hier passiert … nicht nur, dass x und y ihre Beziehung geheim gehalten haben – das ist verständlich –, aber als Resultat ihrer persönlichen Verstrickung haben sie sich vor ihrer therapeutischen Arbeit hier gedrückt. Was ging da Wichtiges vor sich, als die Sache anfing?“

Therapeut: „Diese Frage nach den Zusammenhängen und Begleitumständen in der Zeit und bevor sich ein Symptom erstmals zeigte, ist oft sehr erhellend im Verständnis der Bedeutung eines Verhaltens:  Was ist in der Zeit alles auf Sie zugekommen? Was hat Sie beschäftigt oder belastet? Wer und wo waren Sie zu der Zeit? Das Symptom – so die Theorie der Psychoanalyse wie auch der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie – ist das Produkt einer (Schein)Lösung eines Konfliktes; das Symptom mildert eine Angst; welche?“

Eine Arbeitstechnik:

Das Eisen schmieden solange es kalt ist.

Therapeut: „Das meint: es lohnt nicht, auf den richtigen Moment zu warten, um sich mitzuteilen. Er kommt nicht. Der einzige Weg, den richtigen Moment zu finden, ist, ihn jetzt zu beschließen und selbst die Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen.“

Eine Selbstoffenbarung des Therapeuten hat immer eine doppelte Wirkung:

  1. die, die er für sich persönlich daraus gewinnt
  2. ihre Vorbildfunktion für die Gruppe

Therapeut: „Ich betrachte eine Aussage oder Handlung oft unter zwei Aspekten – unter dem des Inhalts und unter dem des Prozesses – und mit Prozess meine ich das, was es uns über das Wesen der Beziehung zwischen den Beteiligten verrät.“

Schopenhauer meint, dass relatives Glück aus drei Quellen herrührt: aus dem, was man ist, was man hat und was man in den Augen der anderen darstellt. Er drängte darauf, dass wir uns bloß auf die erste Quelle konzentrieren und nicht auf die zweite und dritte, also weder auf unseren Besitz noch auf unser Aussehen, bauen, denn darüber haben wir keine Kontrolle; beides kann uns genommen werden und wird es auch irgendwann. Das >Haben< hat sogar einen Umkehreffekt: was wir besitzen, fängt oft an, uns zu besitzen.

Therapeut: „Das drohende Ende einer Gruppe, also auch das Wissen um das eigene Ausscheiden aus der Gruppe, wie auch das Wissen um den baldigen Tod, treibt ihre Mitglieder oft an, ihre drängendsten Probleme mit wachsendem Eifer anzugehen. Otto Rank (Psychoanalytiker, 1884-1939) und Carl Rogers (Psychiater, 1902-1987), Begründer der Gesprächstherapie, setzten daher oft gleich zu Beginn einer Therapie einen Schlusstermin fest.“

Übung: „Wer bin ich?“ – schreiben Sie 7 Antworten auf diese Frage nieder; jede auf ein anderes Kärtchen – sortieren Sie die Kärtchen dann nach Wichtigkeit: Angefangen mit der unbedeutendsten Antwort. Anschließend drehen Sie die Karte um und meditieren über den Inhalt. Danach fragen Sie sich, wie es wäre, sich von dieser Antwort zu lösen (d.h., sich nicht mehr mit ihr zu identifizieren).

Therapeut: „Bei >unverzeihlich< trägt man selbst keine Verantwortung, während >unversöhnlich< der eigenen Weigerung zu verzeihen zuzuschreiben ist. Das ist der Unterschied zwischen dem Übernehmen von Verantwortung für das, was man tut, und dem Schieben der Schuld auf andere. Therapie fängt dort an, wo Schuldzuweisungen enden und Verantwortlichkeit an ihre Stelle tritt.“

Schopenhauer erinnert, dass Toleranz, Geduld, Schonung und Nächstenliebe, deren jeder bedarf und die daher auch jeder schuldig ist. Mit jeder menschlichen Torheit, (jedem) Fehler, Laster sollten wir Nachsicht haben, bedenkend, dass, was wir da vor uns haben, eben nur unsere eigene Torheit, Fehler und Laster sind: denn es sind eben die Fehler der Menschheit, welcher auch wir angehören und sonach ihre sämtlichen Fehler an uns haben, also auch die, über welche wir eben jetzt uns entrüsten, bloß weil sie nicht gerade jetzt bei uns hervortreten.

Er lehnte Tröstungen durch Übernatürliches ab, er akzeptierte nur die, die auf einer naturkundlichen Weltsicht beruhte. Er glaubte, Leid rühre von der irrtümlichen Annahme her, dass viele Kümmernisse des Lebens zufällig und damit unvermeidbar seien. Viel besser sei es, die Wahrheit zu erkennen: dass Schmerz und Leiden unausweichlich, unabwendbar und wesentlich Teil des Lebens sind – „und nichts weiter als seine bloße Gestalt, die Form unter der es sich darstellt, – dass also unser gegenwärtiges Leiden eine Stelle ausfüllt, in welche ohne dasselbe zugleich ein anderes träte … eine solche Reflexion (lat. = Widerspiegelung) (könnte), wenn sie zur lebendigen Überzeugung würde, einen bedeutenden Grad stoischen (griech. = auf Ganzheitlichkeit der Welterfassung gerichtete Betrachtungsweise) Gleichmuts herbeiführen …“ Er drängte uns, unser Leben jetzt zu leben, statt es in der Hoffnung auf ein zukünftiges Wohl zu führen.

An einer anderen Stelle seines Werkes fragt Schopenhauer: „Wie leben wir mit dem Wissen, nichts als Lebewesen zu sein, die ohne vorherbestimmten Zweck in ein gleichgültiges Universum geworfen sind?“

Nietzsche (deutscher Philosoph, 1844-1900) forderte auf, wir sollten unser Leben so führen, dass wir >ja< sagen würden, wenn man uns anbieten würde, es auf genau dieselbe Weise immer wieder zu leben.

Epikur (griech. Philosoph, 341-270 v.Chr.) meint, Freundschaft sei der wichtigste Bestandteil eines glücklichen Lebens.

Aristoteles (griech. Philosoph, 384-322 v.Chr.) Definition eines Freundes: jemand, der das Bessere und Gesündere im anderen befördert.

Therapeut: „Das kommt dem Bild eines guten Therapeuten nahe.

Die meisten Menschen, die eine psychotherapeutische Praxis konsultieren, brauchen Hilfe in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen.

Die Gruppe ist jedoch nicht das Leben; sie ist eine Generalprobe für´s Leben. – Wir müssen alle einen Weg finden, das, was wir hier lernen, auf das richtige Leben zu übertragen.

Therapeuten sind wie Eltern. Gute Eltern ermöglichen es ihrem Kind, so viel Autonomie (griech. = Selbständigkeit, Entscheidungsfreiheit) zu erlangen, dass es von zu Hause ausziehen und als Erwachsener funktionieren kann; ebenso ist es das Ziel eines guten Therapeuten, seine Patienten in die Lage zu versetzen, die Therapie hinter sich zu lassen.“

Schopenhauer meint, es gäbe zwei Möglichkeiten, dem Tod zu begegnen: auf dem Weg der Vernunft oder dem der Illusion und Religion mit seiner Hoffnung auf Fortbestehen des Bewusstseins und dessen Weiterleben in einem behaglichen Jenseits.

Therapeut: „In jedem Ende steckt auch ein neuer Anfang. Das kann man so oder so gestalten. Es liegt bei Ihnen.“

Zum Vertrag



Nach oben | Zurück

Privatpraxis für Psychotherapie, Coaching und Supervision | Am Hain 2 | 35444 Biebertal Kontakt Anfahrt Impressum Datenschutz